Mittwoch, März 15, 2006

Solidarität als patriotische Fähigkeit

"Die Fähigkeit zur Solidarität ist vielleicht eine der wichtigsten patriotischen Fähigkeiten. Wir wollen ja über Patriotismus diskutieren.(...) Die Leitkulturdebatte ist ein Beitrag dazu. Der unbedingte Wille, dass Solidarität nicht irgendein nachgeordneter Grundwert ist, sondern einer, der mit Freiheit und Gerechtigkeit auf einer Ebene steht, ist die Voraussetzung für den Zusammenhalt zum Beispiel einer Nation. (...) Wenn das nicht mehr da ist, wenn Nord gegen Süd steht, Ost gegen West, wenn die eine Kommune gegen die andere steht und das zum ausschließlichen oder auch nur dominierenden Prinzip wird, dann gibt es keinen nationalen Zusammenhalt. Deswegen (...) gewinnt die Solidarität an Bedeutung" (Merkel: Rede zum Bundesausschuss 20.2.2006, S. 11).
Vorgeführt wird eine Instrumentalisierung der Solidarität für den spezifischen Zweck nationaler Kohärenz; Solidarität dient als "patriotische Fähigkeit" dem nationalen Zusammenhalt.
Es findet eine Verringerung und Begrenzung von Solidarität auf den Bereich der Nation statt (im Gegensatz zu einer Extendierung).
Durch die Verbindung mit "Patriotismus", der eine Absetzung von anderen beinhaltet (im Bezug auf die eigene patria), wird ein genereller Solidaritätsbegriff konterkariert. Solidarität ist nicht bezogen auf globale gegenseitige Unterstützung. Sie ist nicht umfassend, sondern als Mittel auf den begrenzten nationalen Zweck ausgerichtet.
Bei der Behauptung, "dass das Gemeinsame, das Gesamte, dass Europa und unsere eigene Nation immer auch ein Denken über den Einzelnen hinaus erfordern" (Merkel, a.a.O.), wäre zu klären, auf welche Punkte genau sich dieses Denken beziehen soll; diese und ihre Auswirkungen können sehr unterschiedlich zu bewerten sein.
Die Forderung, dass "Solidarität ohne die Frage nach dem materiellen Vorteil gelebt wird" (Merkel, a.a.O.), hört sich schön an. Allerdings wird sie in einer Situation materieller Restringierungen und Zumutungen erhoben, deren Durchsetzbarkeit dadurch erleichtert wird: Solidarität als Akzeptanzmittel für "Reform"-Einschnitte.

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Donnerstag, März 02, 2006

Freiheit als "Freiheit für mehr Arbeit" (CDU)

"Wenn wir über Freiheit sprechen, denken wir an Freiheit für etwas, z. B. für mehr Arbeit" (Merkel: Rede anlässlich des Bundesausschusses am 20.2.2006, S. 7).
Zunächst denkt man an Möglichkeiten für mehr Arbeit, nicht an Freiheit. Die Konnektion von Freiheit und mehr Arbeit verweist wohl auf die Schaffung von Arbeit durch Deregulierung und Bürokratieabbau. Die Frage ist allerdings: Welche Art von Arbeit entsteht da?
Arbeit in der gegenwärtigen Form ist nicht der Inbegriff von Freiheit, sondern Abhängigkeit - Zwang und Fremdbestimmung, gesetzte Notwendigkeit zum Erwerb des Lebensunterhalts.
Um wen geht bei dieser Art von Freiheit - Freiheit für wen und wovon? Wer profitiert von dieser Freiheit? Wem nützt diese Verwendung des "Freiheits"-Begriffs, wie ihn die CDU propagiert, wer hat etwas von seinen Implikationen?

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