Donnerstag, Juli 20, 2006

"Schädliche Hilfe" durch den Staat (Schavan)

"Oswald von Nell-Breuning, der Klassiker der katholischen Soziallehre, weist auf die Gefahr schädlicher Hilfe hin. Er redet von der Hilfe des Staates, die die eigene Initiative schwächt, die schadet, weil sie unterfordert. Ist das nicht ein Teil unseres Problems heute? Und sind wir nicht rasch dabei, jene als Neoliberale zu bezichtigen, die eine grundlegende Änderung zu mehr eigener Initialtive fordern?" (Schavan, zit. nach "Zeit" Nr. 24 vom 8.7.2006, S. 2).
Besser etwas weniger Unterstützung, dann ist der Einzelne gezwungen, d.h. "gefordert", selbst aktiv zu werden. Und das ist doch besser. Für wen?
Zwang statt Hilfe? Natürlich nicht, aber etwas Anleitung zur Entfaltung der Person über Eigeninitiative.
Weiß man doch aufgrund des "realistischen" konservativen Menschenbildes, dass manchmal etwas Druck nötig ist.
Zuviel Sozialstaat demotiviert, behindert, zerstört eigene Initiative.
Eigene Initiative wird gefordert, wenn Sozialleistungen gekürzt werden, wenn gespart werden soll. Zu diesem Zweck soll sie beitragen - nicht zur Behebung von Unterforderung, nicht zur Förderung von Personalität und Individualität, von Selbstverantwortung und Dignität der Person.

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Freitag, Juli 14, 2006

Fröhlicher Patriotismus

Bei fröhlichem Patriotismus wollen es die Politiker wohl nicht belassen. Das ist allenfalls die Einstiegsstufe. Danach sollen die Patrioten fröhlich einiges für ihre patria tun: Länger arbeiten, höhere Steuern zahlen, weniger Sozialleistungen akzeptieren, als Arbeitskraft umfassender verwendbar und verwertbar sein, Auslandseinsätze des Militärs mittragen, zur Durchsetzung in der internationalen Konkurrenz mit den fröhlichen Patrioten anderer patriae ihren Beitrag leisten, bei der Expansion der Marktwirtschaft ihren Anteil einbringen.
Gesetzt wird darauf, dass dieser Modus von Fröhlichkeit etwas zur Akzeptanz von erhöhten Anforderungen und Belastungen beiträgt. Die Einforderung erfolgt nicht mehr im traditionellen Sinn als patriotische Pflicht, als "sittliche Verpflichtung" zur rückerstattenden Leistungserbringung gegenüber Vaterland und Staat, sondern über Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit des Zusammen-Gehörens und Mitmachens. Das Negative gestiegener Anforderungen soll durch die emotionale Bewegung aufgefangen, verselbstverständlicht und fiktiv verkleinert werden: Emotionalisierung statt rationaler Beurteilung.
Das sind handfeste und überzeugende Gründe für Fröhlichkeit und Patriotismus.

Donnerstag, Juli 13, 2006

Nachtrag II zu: "Zur entkrampften Normalität des Patriotismus ..."

Der Kommentar ist aus zeit.online wieder verschwunden.

Mittwoch, Juli 12, 2006

Grass: "Flagge zeigen" - "fröhlich" - "Bedenkenträger" - "Wagnis"

(Günter Grass: "Dieses kalkulierte Wagnis, der geniale Blitz". Interview in SZ 8./9.7.2006, S.35 f.).
Flagge zeigen: "Aber sie sahen Anlass, Flagge zu zeigen. Das reicht doch schon mal, ja? "(a.a.O., S.36). Was wird gezeigt, wenn Flagge gezeigt wird - außer der Flagge, über die Flagge hinaus? Was ist daran positiv? Wieso "reicht das schon mal"? Ist "Flagge zeigen" ein Wert an sich? Real oder metaphorisch? Wenn real, warum - wenn metaphorisch, wofür?
"Fröhlich": "Die Deutschen waren sogar bereit, auf eine fröhliche Art und Weise Flagge zu zeigen (...)" (a.a.O., S. 35). Fröhlicher Umgang mit nationalen Symbolen - warum ausgerechnet damit? Nimmt man nationale Symbole und ihre Verwendungsformen ernst - sei es im positiven, sei es im negativen Bezug darauf -, bieten sie wenig Anlass für fröhlichen Umgang. Oder soll da unter der Hand etwas anderes erreicht werden: Identifikationsherstellung auf dem Umweg über fröhlichen Umgang? Nimmt man sie nicht ernst, sind sie als Gegenstand beliebig auswechselbar und ersetzbar - es besteht also kein Grund, gerade diese Symbole zum Objekt fröhlichen Umgangs zu machen. Im bedeutungsentleerenden Umgehen damit wäre auch keine Form der Emanzipation - z.B. durch gezielte Funktionsumstellung - zu entdecken, sondern nur Gedankenlosigkeit, spielerisches Hin- und Herwenden, Beliebigkeitsgeplänkel.
"Bedenkenträger" - das ist eine Formulierung, die gemeinhin in Diskussionen dazu benutzt wird, unter Umgehung inhaltlicher Auseinandersetzung alle, die Einwände in der Sache haben, abzuqualifizieren und zu diskriminieren. Auch Grass benutzt den Terminus, ohne zu spezifizieren, um welche Art von Bedenken es ihm geht, aus welchen Gründen er sie ablehnt.
Wären "wir Deutschen" wirklich "Weltmeister im Bedenken" (a.a.O., S. 35), wäre das nicht so schlecht; Grass unterscheidet aber nicht zwischen "Bedenken" und "Bedenken haben".
Ob man als Autor Formulierungen dieser Art so unbedenklich verwenden sollte, wäre tatsächlich zu bedenken.
Nation/Nationalbewusstsein: "Das Thema Nationalbewusstsein haben wir ohne Not den Rechtsradikalen überlassen" (a.a.O., S. 36). Was genau soll da nicht überlassen werden?
"Wagnis": "Wir leben ja in einer Welt, in der Wagnisse überhaupt nicht mehr eingegangen werden. Alles wird abgesichert" (a.a.O., S. 36). Es wird nicht deutlich gemacht, welche Art von "Wagnis" gemeint ist. In der Welt, in der wir leben, gibt es eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Möglichkeiten oder Notwendigkeiten für das Eingehen von Wagnissen in Berufsverläufen, Kernenergienutzung, Militäreinsätzen, Geldanlagen etc. - zu wenig Wagnis oder die falsche Art?

Donnerstag, Juli 06, 2006

Fußball-WM: Die Mobilisierung der Massen für Nebensächliches

Noch bei keinem Anlass von öffentlichem Interesse hat es auch nur annähernd einen solchen Mobilisierungsgrad gegeben. Krieg, Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Atomkraftwerke, "Umbau" des Sozialstaats mit den entsprechenden Verschlechterungen, Lebensverhältnisse in Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens - keine Fähnchen, wenig Engagement; aber so etwas Unwichtiges wie Fußball hat Mobilisierungseffekt.
In der Autoindustrie werden Schichten verschoben, es gibt eine umfassende Medienkampagne, Poliktiker lassen sich beim Besuch der Spiele filmen und preisen den wiedererstandenen Patriotismus, der Papst wird mit seinen Äußerungen zum Fußball zitiert ("Welt" 4.7.2006), die Branche für Zuschauersportartikel erzielt Verkaufsrekorde.
Und schließlich die neue umwälzende Erkenntnis: Patriotismus ist Fun und Leichtigkeit und selbstverständlich.
Bei anderen Anlässen: Keine Zeit, zu müde, kein Interesse, nicht so wichtig - anders beim Fußball. Bemerkenswerte Kriterien für Wichtigkeit kommen da zur Anwendung.

Mittwoch, Juli 05, 2006

Orientierungen politischen Handelns und Qualifikation eines Politikers

"Manche Politiker glauben, sie sind besonders gut, wenn sie eine Idee haben, wie die Welt sein sollte. Das ist auch eine Tugend. Aber entscheidender ist oft die Fähigkeit, schnell und sicher zu sagen: So ist die Lage, das geht, das geht nicht" (Müntefering in "Zeit" Nr. 22, 24.5.2006, S. 5).
Dass das auch nötig ist, wird niemand bestreiten. Frage ist, inwieweit es im politischen Handeln im Vordergrund steht bzw. das Zentrum und die Grundlage bildet - und welche Auswirkungen das dann hat; welche Art von Politik dabei entsteht - und was dabei für die dieser Politik Ausgesetzten herauskommt.
Man hat oft den Eindruck, dass es in der gegenwärtigen Politik auf das erste wenig, das zweite hauptsächlich ankommt.

Dienstag, Juli 04, 2006

Nachtrag zu "Zur entkrampften Normalität des Patriotismus ..."

Der Kommentar ist inzwischen in zeit.online erschienen, allerdings nicht ohne weiteres auffindbar.