Dienstag, September 22, 2009

"Mündiger Patient" - Wissen - Berichte Betroffener

Eine der Voraussetzungen für den "mündigen Patienten" besteht darin, dass er über Prozesse bei Krankheit und Sterben Bescheid weiß. Dafür können die Berichte Betroffener eine Informationsquelle - neben anderen und zum Teil wichtigeren - sein. Das hat weder mit Voyeurismus noch mit Exhibitionismus zu tun, sondern mit Wissensgewinnung, -verarbeitung und -anwendung - für den Schreibenden wie für den Leser. Die Öffentlichmachung von Privatem kann anderen weiterbringende Einblicke gewähren. Wenn der Patient nicht über ausreichendes Wissen verfügt, kann er die Situation nicht richtig einschätzen und sein Handeln ausrichten, keine fundierten Entscheidungen treffen und die Patientenautonomie nicht wahrnehmen und ist weiterhin den Asymmetrien des Arzt-Patienten-Verhältnisses (neben den berechtigten Anteilen gibt es eine Reihe unberechtigter und für den Patienten negativer, die hartnäckig aufrechterhalten werden) ausgeliefert. Mündigkeit kann sich andererseits auch darin manifestieren, eigene Erfahrungen zu reflektieren, Erkenntnisse zu formulieren und zu kommunizieren.
Publizierte Texte können auch literarischer Kritik unterzogen werden. Wenn die Darstellungen Betroffener auch literarische Qualitäten aufweisen, ist das gut, aber nicht erstrangig. Bei manchen der Kritiker schcint es aber etwas in den Hintergrund zu geraten, dass es hier neben literarischer Kritik um anderes geht - um eventuell unterstützendes Wissen für existentielle Grenzsituationen.
(Zur Diskussion um den Artikel von Iris Radisch: "Metaphysik des Tumors". In: "Die Zeit", 17.9.2009, S.47).

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