Tolerieren ("ertragen", "erdulden", "aushalten" ist die Grundbedeutung von tolerare) kann man nur etwas, das man nicht für richtig hält; würde man es für richtig halten, bestünde Übereinstimmung und es gäbe nichts zu tolerieren.
Es geht dann um die Begründungen des Tolerierens (z.B. Ermöglichung des Zusammenlebens trotz unterschiedlicher Positionen) und um den Umfang (was wird noch toleriert, was nicht).
Es kann eventuell akzeptiert werden, dass der Andere intoleranter ist, dass also das Ausmaß der Toleranz auf beiden Seiten nicht gleich ist. Eine Verpflichtung in dem Sinn, dass Toleranz sich als solche zu erweisen hat, indem sie Intoleranz toleriert, ergibt sich daraus aber nicht.
Toleranz muss Kriterien entwickeln, was tolerabel ist und was nicht. Alles zu tolerieren wäre Aufgabe jeder Position außer der der Toleranz.
Wenn ein gemeinsames Erkenntnis- und Handlungsinteresse besteht, ist es nötig, über Toleranz hinauszugehen und Kriterien für Prüfung und Anerkennung der Positionen zu finden; wenn dieses gemeinsame Interesse nicht besteht, ist Toleranz ein Euphemismus für bloßes Stehenlassen der Differenz, für Ersatz für Kommunikation und für Desinteresse am Anderen.
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