Samstag, April 25, 2009

"Reziprozität": Gefühl oder Test? (Heinrich Bedford-Strohm)

"Die Menschen in einer Gesellschaft müssen das Gefühl haben, dass sie im Prinzip alle von der gesellschaftlichen Zusammenarbeit profitieren" (Heinrich Bedford-Strohm: Maßhalten! In: "Die Zeit", 16.4.2009; S. 29).
Dass die, die für das Verschulden anderer bezahlen (in diesem Fall über Steuern), im Sinne der "Reziprozität" auch etwas davon haben oder dies jedenfalls glauben können sollen ("Reziprozitätsgefühl" - nachprüfbar ist es nicht immer so ohne weiteres), ist eine moderate Forderung.
Eine Funktion des "Reziprozitätsgefühls" besteht in der Legitimierung von "Einschnitten" - hier ist ein Gefühl eine wenig zuverlässige, eventuell dem Anschein aufsitzende Beurteilungsinstanz.
Im Sinne eines "Reziprozitätstests" werden "klare Mechanismen" zur Gewährleistung von Rückzahlung oder gemeinwohlverträglicher Verwendung gefordert. Bei Rückzahlung ist kein Gefühl nötig (insofern also "Test"), bei "gemeinwohlverträglcher Verwendung" wegen ihrer schlechteren Testbarkeit evtl. schon - da bleibt es aber dann auch bei einer sehr ungefähren Einschätzung.
Wie ist das Verhältnis von "Reziprozitätstest" und "Reziprozitätsgefühl"? Ein Test müsste eigentlich auf etwas belastbarere Kriterien zurückgreifen können. Müssten Reziprozitätsleistungen nicht nachgewiesen, bewertet, verglichen werden?

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Freitag, April 24, 2009

Wirtschaftsethik als Faktor für den Unternehmenserfolg

Wirtschaftsethik wird oft nach dem Muster angedient: Wer moralisch handelt, erzielt damit auch ökonomischen Erfolg. Und wenn das nicht der Fall wäre? Wäre dann eine moralische Forderung nicht berechtigt? Nun kann man sagen: Berechtigt schon, aber schwerer umsetzbar, weil sie der "Bereichsrationalität" zuwiderläuft. Trotzdem - eine eigenartige Form von Anpassung, der sich die "Wirtschaftsethiker" bestärkt durch eine "realistische" Einschätzung und mit der Hoffnung auf zumindest ein bisschen Erfolg selbst unterziehen.

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Mittwoch, April 22, 2009

Internet: Ignoranz und Ungeprüftheit - Anspruch des Wissens - Aufbau einer humanen Gesellschaft (Burkhard Spinnen)

(Kommentar zu Burkhard Spinnen: "Die Suchmaschinenfrage" in "der Freitag", 16.4.2009, S. 13).
Die drei Forderungen sind berechtigt und sinnvoll, jedoch - wie der Autor sicher weiß - weit von einer Realisierung entfernt.
"Keine Ausrede für Ignoranz": Leider läuft es völlig anders; es wird vieles geschrieben unter Ignorierung von sehr vielem und sehr oft ungeprüft. Wer dächte da daran, er habe so etwas wie eine "Ausrede" überhaupt nötig?
"Und was man wissen kann, das muss man auch wissen": Wer von usern fühlt sich diesem aufklärerischen Anspruch verpflichtet? (Das gilt auch für die Leute, die für das technische Funktionieren der klappernden Online-Version des "Freitag" zuständig sind. Nicht einmal die praktizieren das - von anderen "Wissen-Müssern" ganz zu schweigen"). Eventuell nimmt diese Verpflichtung sogar ab, weil Informationen (anstelle von Wissen) als jederzeit verfügbar erscheinen.
Kriterien für die Unterscheidung von Wissen und Nichtwissen spielen im verbreiteten Internetgebrauch eine untergeordnete Rolle - zugunsten der Aufrechterhaltung eines an vielen anderen Zwecken (Netzbindung, Werbung, Selbstinszenierung, Zeitvertreib ...) orientierten "ständigen Contentstroms" (Charlotte Li/Josh Bernoff) bzw. eines "dauernden Stroms von Partikeln" (Alex Rühle), dessen Produktion durch Wissen eher behindert würde.
Beförderung des Aufbaus einer humanen Gesellschaft statt Funktionalität oder Profit: Da müsste man neben der Bemühung, sich durch das Instrument nicht instrumentalisieren zu lassen, nicht nur die "Göttin", sondern ihre materielle Grundlage statt sie zu "verpflichten" entzaubern.

Sonntag, April 19, 2009

"Die gute Gesellschaft": Wirtschaftlicher Pluralismus - Vielfalt an Besitzformen (Andrea Nahles/Jon Cruddas)

Es wird ein "Höchstmaß an wirtschaftlichem Pluralismus" und eine "Vielfalt an wirtschaftlichen Besitzformen" gefordert (Nahles/Cruddas S. 9). Die Konkurrenz ist damit nicht außer Kraft gesetzt - es dürfte weiterhin kein Neben-, sondern ein Gegeneinander der verschiedenen "Besitzformen" geben. Ist nicht anzunehmen, dass das zu Schwerpunktbildungen und Übergewichtungen bei einigen, zu Marginalisierungen anderer Besitzformen führt? Und dass damit insgesamt Bestrebungen zur Sicherstellung von Mitbestimmung und zur Aufhebung eines "unausgewogenen globalen Wirtschschaftswachstums" (Nahles/Cruddas S. 7) konterkariert werden?

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Sonntag, April 12, 2009

"Die gute Gesellschaft": Bildungspolitik - Bürger - Teilhabe (Andrea Nahles)

("Zeit für ein neues Projekt" in "der Freitag", 8.4.2009, S. 4. Dieser Beitrag sollte dort als Kommentar erscheinen; das war aus technischen Gründen nicht möglich.)
Rangzuweisung für die Bildungspolitik als Verdienst von Schröder und Blair: Die Bildungspolitik wurde (nicht nur von der CDU) in Richtung Markt umorientiert - mit negativen Auswirkungen auf das Bildungswesen, so dass es nun im Projekt "Die gute Gesellschaft" nötig ist zu postulieren:"Das Hochschulsystem muss vom Markt und kommerziellen Notwendigkeiten abgekoppelt und ein öffentliches Gut bleiben." (Nahles/Cruddas S. 11).
Der Begriff des "Bürgers" als "Kernbegriff für die gute Gesellschaft" ist in dieser Verwendungsweise nicht trennscharf; auch die Politiker, Unternehmer, Manager, die jetzt die Verläufe bestimmen, sind "Bürger". Ist damit "jeder Bürger" gemeint bzw. der "bloße" Bürger, der keine Leitungsfunktionen in Politik oder Wirtschaft innehat? Anscheinend geht es darum: Jeder soll mitbestimmen können, nicht nur "einige wenige". Das ist aber als umfassendes Mitbestimmungsrecht allein aus dem verwendeten Begriff des "Bürgers" wohl nicht abzuleiten. Die Funktion dieser Begriffsverwendung besteht offensichtlich darin, sich als das eigentliche "bürgerliche Lager" zu positionieren.
Der Bürger als "demokratischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Akteur" - das ist er in der einen oder anderen Weise und mehr oder weniger sowieso; ausschlaggebend ist, von welcher Art sein Akteurtum ist und wie weit seine Handlungsmöglichkeiten reichen.
"Teilhabe" ist ein vager, Art und Umfang nicht nennender Anspruch. Von Bedeutung ist: Woran? Woran nicht? Warum? Wie? In welchem Umfang? Mit welchen Zielen und Effekten? Die "Idee des Allgemeinwohls, an dem alle teilhaben können" (Nahles/Cruddas S. 6) ist dabei nicht sehr überzeugend: Ein Allgemeinwohl, an dem nicht alle teilhaben können, ist keines.(Auch wenn solche Konstruktionen historisch nachweisbar sein mögen).
Zur Diskussion des Papiers von Nahles/Cruddas siehe auch: Building the Good Society - Die gute Gesellschaft.

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Samstag, April 04, 2009

"Systemrelevanz"

Die Zuschreibung von Systemrelevanz ist eine Behauptung. Sie beinhaltet, dass das System funktionsunfähig oder stark gefährdet wird, wenn eine Institution nicht erhalten wird.
Was sind aber die genauen Kriterien?
Größe? Wo ist die untere Grenze anzusetzen?
Verflechtung?
Auswirkungen welcher Art genau auf andere?