"Heilsarmee" - Die Verantwortung des Autors (Theo Sommer)
Die Bundeswehr in Afghanistan "ist nicht die Heilsarmee" (Theo Sommer: Nein. Wer kämpft, der tötet. In: "Die Zeit" Nr. 52, 17.12.2009, S. 1).
Auch wenn man die Position vertritt, dass ein "Strategiewechsel" angebracht ist, sollte man als Autor ausführlich überlegen, welche Effekte eventuell mit dieser Aussage erreicht werden - das können durchaus auch von einem nicht intendierte, aber durch die Formulierung provozierte oder begünstigte sein. Nun mag Sommer einwenden, welche Aktivitäten für Soldaten legitimiert sind, sei in den "Rules of Engagement" festgelegt. Trotzdem kann seine Formulierung subjektive Interpretationen beeinflussen.
Ein Autor muss die Implikationen einer pointierten Äußerung in einer zugespitzten Situation reflektieren - alles andere wäre unverantwortlich.
Die metaphorische Darstellung wechselt zwischen verschiedenen "Erzählern" - Produkten, Infrastrukturen, Aufklärung, der Geschichte, die uns "konstituiert" und "uns immer schon erzählt " hat - und lässt unbegründet, wann jeweils das die Subjekte oder Agentien sein sollten oder könnten. Diese Metaphorik erzählender und konstituierender Subjekte macht die Verhältnisse von gesellschaftlichen Entwicklungen, Technik, Habitus und Kognition nicht klarer.
(Harald Welzer in "Die Zeit" Nr. 50, 3.12.2009, S. 57).
Bei der Zurückführung von Einwänden auf Kulturpessimismus werden die Inhalte der Argumente ausgeblendet.
Ob Kritikpunkte an Auswirkungen von Informationstechnologie berechtigt sind, ist keine Generationenfrage. Der Bezug auf "Generation" verlässt die Diskussion und verlegt das Problem auf die Ebene des Ressentiments.
Vollständige Beherrschbarkeit der Welt mag vielleicht eine Illusion sein - die weitgehende einer Technik muss es nicht sein.
Interessantheit ist ein starker Anreiz, aber nicht das einzige Kriterium für die Beurteilung eines Gegenstandes. Es gehört zur Freiheit des Einzelnen, interessant zu finden, was er will; andererseits ist Interesse nicht unhintergehbar, es kann geformt, es kann auch manipuliert werden.
(Zu: Sascha Lobo: Die bedrohte Elite. Frank Schirrmacher und der Kulturpessimismus. Eine Gegenrede. In: "Der Spiegel" 50/2009, 7.12.2009, S. 142 ff.)
Welzer stellt das persönliche Verwobensein mit einem Teil der Technik (Auto), die Bedeutung für den eigenen Lebensverlauf und die kognitionsorientierte Restringiertheit von Aufklärung dar, die zu habitusbegründeten Widerständen gegen Umstellung führen oder diese nicht ausreichend berücksichtigen ( Harald Welzer: Ich bin das Problem. In: "Die Zeit" Nr. 50, 3.12.2009, S. 57).
Haben sich Aufklärer die Aufklärung zu einfach vorgestellt? Enthält das traditionelle Aufklärungskonzept eine unzulässige Simplifizierung in Form von Ausblendung oder zu geringer Beachtung habitueller Faktoren?
Habitus ist durch Kognition beeinflussbar - auch wenn das mit Schwierigkeiten verbunden ist. Kognition kann zu anderen Bedeutungszuweisungen, Umbewertungen und zur Veränderung der emotionalen Dynamik führen. Auch lebensgeschichtliche Prägungen sind zwar manchmal schwierig zu verändern, grundsätzlich unveränderbar sind sie nicht. Ein Beispiel für Umstellung trotz starker Habitusverankerung wäre das Rauchen.
Warum die Umstellung im Bereich der Mobilität schlecht funktioniert, könnte auch mit der Ausrichtung an den durch Wirtschafts- und Verkehrspolitik geschaffenen Rahmenbedingungen zusammenhängen.
Zu transferieren wären Überlegungen dieser Art auch auf den IT-Bereich.