Donnerstag, Februar 11, 2010

Toleranz als Denkverzicht (Thomas Assheuer)

Wer etwas tolerieren will, muss sich überlegen, was er aus welchen Gründen für tolerierbar hält - anderes als das kann man nicht tolerieren. Ein Postulat von Toleranz ohne Definition des Tolerablen bedeutet Selbstaufgabe des Denkens. Toleranz heißt aber nicht Einstellung des Denkens. Sie würde so zu einem Tabuisierungsprinzip. Wodurch soll der "Fundamentalismus des Geistes" ersetzt werden - durch einen Fundamentalismus des Nicht-Denkens im Sinne von bereichsspezifischer Denkenthaltung?
Religionen sind auch Welterklärungen. Sie formulieren Behauptungen. Dass Behauptungen - alle, auch religiöse - der Begründung bedürfen und argumentierend kritisiert werden können, ist keine intolerante Zumutung, sondern ein selbstverständliches intellektuelles Erfordernis, so man an Erkenntnis interessiert ist. Andernfalls funktioniert das nämlich nicht, sondern es kommt allenfalls zur Stützung der eigenen Ideologie.

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Mittwoch, Februar 10, 2010

Toleranzgebot vs. Freiheit der Kritik? (Thomas Assheuer)

Ob, wann und wo die Freiheit des Westens in Gefahr ist, bedarf differenzierter Einschätzung und Begründung; in Gefahr ist aber die Freiheit und körperliche Unversehrtheit einiger Kritiker des Islamismus, der sich auf den Islam beruft - und das reicht schon.
Niemand fordert eine staatliche Religionszensur. Niemand kann aber auch verlangen: Hier ist Toleranz zu üben, das Denken ist einzustellen. Das Recht auf Religionsfreiheit bedeutet nicht, dass man Religion nicht kritisieren darf - Kritik an Religion ist kein Unrecht.
(Zu: Thomas Assheuer: Die Grenzen der Vernunft. In: "Die Zeit", 4.2.2010, S. 46).

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Montag, Februar 01, 2010

Toleranz

Tolerieren ("ertragen", "erdulden", "aushalten" ist die Grundbedeutung von tolerare) kann man nur etwas, das man nicht für richtig hält; würde man es für richtig halten, bestünde Übereinstimmung und es gäbe nichts zu tolerieren.
Es geht dann um die Begründungen des Tolerierens (z.B. Ermöglichung des Zusammenlebens trotz unterschiedlicher Positionen) und um den Umfang (was wird noch toleriert, was nicht).
Es kann eventuell akzeptiert werden, dass der Andere intoleranter ist, dass also das Ausmaß der Toleranz auf beiden Seiten nicht gleich ist. Eine Verpflichtung in dem Sinn, dass Toleranz sich als solche zu erweisen hat, indem sie Intoleranz toleriert, ergibt sich daraus aber nicht.
Toleranz muss Kriterien entwickeln, was tolerabel ist und was nicht. Alles zu tolerieren wäre Aufgabe jeder Position außer der der Toleranz.
Wenn ein gemeinsames Erkenntnis- und Handlungsinteresse besteht, ist es nötig, über Toleranz hinauszugehen und Kriterien für Prüfung und Anerkennung der Positionen zu finden; wenn dieses gemeinsame Interesse nicht besteht, ist Toleranz ein Euphemismus für bloßes Stehenlassen der Differenz, für Ersatz für Kommunikation und für Desinteresse am Anderen.

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