Donnerstag, September 29, 2005

"Gemeinsamkeiten" und "Schnittmengen" von Parteien. Von der Differenz zur strategischen Verfertigung von Gemeinsamkeiten - Parteien nach der Wahl.

Ziel für den Konzeptwechsel von der Differenz (im Wahlkampf) zur Gemeinsamkeit (in Koalitionssondierungen und -verhandlungen) ist, dass Koalitionen zustande gebracht werden sollen. Die "Gemeinsamkeiten" sind strategisch.
Gemeinsamkeiten können genau so hergestellt werden wie Differenzen. Parteien rekrutieren ihre Wählerschaft zwar über Identitäten (die Absetzung und Differenz benötigen), die Wähler machen aber in nicht unbeträchtlichem Umfang Identitätsveränderungen und damit Verschiebungen im Gefüge von Differenz und Gemeinsamkeit mit (z.B. wenn ihnen einsichtig zu machen ist, dass das aufgrund der neuen Situation "notwendig" sei).
Gemeinsamkeit bedeutet hier Schaffung einer Möglichkeit zur Koalition und Instrument zur Durchsetzung gegenüber dem Kontrahenten und eventuellen zukünftigen Partner: Man kann Gemeinsamkeiten als größer oder kleiner definieren, extendieren und wieder zurücknehmen. Man kann die "Gemeinsamkeit" so formieren, dass man damit dem Verhandlungspartner entgegenkommt - oder auch nicht. "Gemeinsamkeit" fungiert als strategisches Dispositiv für Öffnung und Abgrenzung, für Anbahnung und Aufkündigung. Verfeinert wird das durch den zusätzlichen Einsatz des Elements der Gewichtung von Gemeinsamem und Differentem, der Höher- oder Niedrigerbewertung. Die Bewertung ist abhängig von der Funktionalität des "Gemeinsamen" für die Durchsetzung der eigenen Machtinteressen.
Auch bei der "Schnittmenge" kommt es darauf an, wie groß sie definiert wird und wie groß die Nicht-Schnittmenge bleibt - und welches Gewicht welchem Teil zugemessen wird. "Schnittmenge" hat hier weniger objektiven als definitorischen und voluntaristischen Charakter.
Bemerkenswert ist, dass eine Partei auch mit Parteien ganz anderer Ausrichtung Gemeinsamkeiten produzieren kann.
Fazit: Jede Partei kann mit (fast) jeder anderen "Gemeinsamkeiten" finden, wenn es die Situation zu erfordern scheint.

Montag, September 26, 2005

Konstitution von "Notwendigkeiten" in gesellschaftlichen Verhältnissen: Für-Wirklich-Nehmen, zur -(scheinbaren) Realität-Werden der Metaphorik

Die scheinbare Notwendigkeit wird durch ihre Anerkennung zur tatsächlichen gemacht; sie wird institutionalisiert. Die Verkürzungen werden wirksam.
Die "Notwendigkeits"-Argumentation dient auch der Bedeutungserhöhung von Akteuren in der Politik; je mehr "Notwendigkeiten", desto höher die Bedeutung - wofür man bereit ist, einiges an "Notwendigkeits"-Produktion zu leisten.
Jede Gesellschaft schafft sich einen Teil ihrer Notwendigkeiten selbst - was keine Entschuldigung ist, sondern das Gegenteil. Die Art der Konstitution von Notwendigkeiten sagt etwas aus über eine Gesellschaft. Wer vorgebliche "Notwendigkeiten" schafft, leistet einen Beitrag zur Ideologisierung - abgesehen davon, dass dann Arbeit unnütz verschwendet wird. Wer falsche Notwendigkeiten produziert, vergrößert also unnötig das Quantum der erforderlichen Arbeit.
Ein äußerst fruchtbares und wirksames Mittel für die Erzeugung einer sich ausdifferenzierenden, weithin verzweigenden Vielzahl von Notwendigkeiten, Subnotwendigkeiten und Konsequenznotwendigkeiten ist die Installation eines Wettbwerbssystems.

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Freitag, September 23, 2005

Konstitution von "Notwendigkeiten" in sozialen Verhältnissen: Keine Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von "Notwendigkeiten"

Zwischen verschiedenen Arten von Notwendigkeiten wird nicht unterschieden. In der Scholastik gibt es bei einigen Autoren bis zu 40 Unterscheidungen verschiedener Arten von Notwendigkeiten; das steht zwar in einem anderen Kontext, aber die Ausdifferenzierungen des "Notwendigkeits"-Begriffs zeigen sehr unterschiedliche Grade der Verbindlichkeit - das fällt in der üblichen modernen Diskussion weitgehend weg. Bei Aristoteles gibt es in der "Metaphysik" vier Unterscheidungen, eine davon ist die Notwendigkeit durch Zwang oder Gewalt (bia). Ob aber eine Notwendigkeit zurückzuführen ist auf Zwang und Gewalt oder auf etwas anderes, ist ein wesentlicher Unterschied für den Umgang mit Notwendigkeiten, es ist von entscheidender Bedeutung dafür, wie man sich diesen Notwendigkeiten gegenüber verhält. Es wird also nicht zwischen verschiedenen Arten von Notwendigkeiten differenziert; Intention ist dabei, mit der Benutzung der stärksten Form des Notwendigkeits-Arguments ein sehr hohes Überzeugungspotential einzusetzen; man könnte das als - eventuell bewusste - Nichtunterscheidung zwischen rhetorischem und logischem Gebrauch von "Notwendigkeit" bezeichnen.

Dienstag, September 20, 2005

"Wettbewerbsvorteil Gesundheit": Funktionalisierung eines Grundzustandes

Gesundheit wird nicht behandelt als Wert an sich, als Zustand, der für den Gesunden und evtl. für seine Umgebung positiv ist. Es erfolgt eine Umdefinierung und Funktionalisierung für andere Zwecke im Sinne eines Sich-zunutze-Machens und Unterordnung unter Rahmenbedingungen und darin enthaltene "Zwänge", die zuvor hergestellt wurden.
Wer hat in welchem Wettbewerb welchen Vorteil? Der Gesunde gegenüber Konkurrenten in der Konkurrenz der Arbeitskraft? Der, der vom Gesunden im Wettbewerb Gebrauch macht und ihn für seine Zwecke einsetzt?
Als besonders geschicktes Vorgehen gilt: Den Unternehmen den Wettbewerbsvorteil begreiflich zu machen, sie zu Maßnahmen zu bewegen und damit etwas für die Gesundheit der Beschäftigten zu erreichen nach dem win-win-Motto: Die Unternehmen haben etwas davon und die Beschäftigten haben etwas davon. Nur: Wer hat mehr davon? Wer benutzt wen? Wer ist in der besseren Position, den anderen für seine Zwecke zum Einsatz zu bringen und damit den "Wettbewerbsvorteil Gesundheit" für sich nutzen zu können?

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Freitag, September 16, 2005

Arbeitsplätze durch Deregulierung ?

Propagiert wird Setzung von Anreizen zur Schaffung von Arbeitsplätzen durch Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Instrumente sind Arbeitszeitverlängerung und Deregulierung.
"Der internationale Vergleich zeigt: Längere Arbeitszeiten und weniger Regulierung bringen mehr Arbeitsplätze. Sozial ist, was Arbeit schafft!"
(CDU: Deutschlands Chancen nutzen. Regierungsprogramm 2005-2009).
Wer wollte das bestreiten? Noch nicht aufgeführt sind: Niedrige Löhne - da könnte der Rekurs auf den internationalen Vergleich noch "eindrucksvoller" gestaltet werden. Da ist die CDU an dieser Stelle aus guten Gründen aber etwas zurückhaltend. Diese Figur des Vergleichs mit den noch schlechteren Bedingungen in anderen Ländern kann dazu benutzt werden, die Regulierungsstandards immer noch ein weiteres Stück herunterzudrehen. Wo ist die Grenze? Ist Sozialdumping das Erfolgsrezept für die Schaffung von Arbeitsplätzen? Deregulierung heißt Sicherungsabbau. Längere Arbeitszeit und weniger Regulierung bedeuten Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Das, so ist impliziert, müsse für die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Kauf genommen werden.
Die Frage ist: Welche Qualität von Arbeit wird da geschaffen? Die Höhe der Arbeitslosigkeit ist kein Argument für dieses Herunterfahren der Standards. Auch die CDU könnte wissen ,dass es Arbeitsverhältnisse mit höchst unsozialen Bedingungen und Auswirkungen gibt. Zwar hat Merkel in diesem Zusammenhang auf die Qualität rekurriert. Aber: Was Arbeit um (fast) jeden Preis schaffen soll, kann sehr wenig sozial sein.

Donnerstag, September 15, 2005

"Drohkulisse" als Mittel der Politik

Darf man beim Aufbau nicht stören, da sonst die Geschlossenheit des Westens in Frage gestellt wird. Dass sie zu einem Krieg führen kann (und häufig führt), kann man einige Zeit nach dem Irakkrieg einfach ignorieren.
Vor allem käme es darauf an, den Punkt zu sehen, an dem die Drohkulisse - so sie denn eine ist - umschlägt in Kriegsvorbereitung, die Androhung militärischer Gewalt zur Schaffung der Bedingungen für die Anwendung militärischer Gewalt und zur Einleitung dieser Realisierung wird - wobei sie das, so ihre Protagonisten, in bestimmtem Umfang immer sein muss, da sonst ihre "Glaubwürdigkeit" leidet. In jedem Fall handelt es sich um die Ausübung militärischen Drucks. Das sei allerdings nötig, sagen die Befürworter: Der Gegner bewegt sich sonst nicht. Daraus bezieht die Vorgehensweise ihre Legitimation; mit dem Zusatzargument der "Glaubwürdigkeit" können die Aktivitäten dann expandiert werden - je realitäts-, d.h. kriegsnäher, desto glaubwürdiger.
Aufgebaut wird nicht eine Kulisse, sondern eine Drohung; als Kulisse bliebe sie wirkungslos und würde ihren Zweck verfehlen. Eine Kulisse ist sie allenfalls zur Ermöglichung, Legitimierung und Verdeckung der Kriegsvorbereitungen - sie kann eingesetzt werden als Kulisse zur Verschleierung der wahren Ziele.